Über 25 % der herkömmlichen Kosmetik- und Pflegeprodukte auf dem deutschen Markt beinhalten bestimmte Stoffe, die negative Auswirkungen auf den menschlichen Hormonhaushalt haben können. Endokrine Disruptoren. Verblüffenderweise tauchen diese in allen möglichen Produkten auf, ohne dass es für den Verbraucher gleich ersichtlich ist. Das Bewusstsein für bedenkliche Inhaltsstoffe in Kosmetik und Lebensmitteln ist in den letzten Jahren zum Glück erheblich gestiegen.
Und trotzdem sind abseits von langatmigen Fachpublikationen im deutschsprachigen Raum kaum Informationen zum Thema endokrine Disruptoren verfügbar.
Was genau sind endokrine Disruptoren und was unterscheidet sie von endokrin aktiven Substanzen? Welche Inhaltsstoffe fallen überhaupt in diese Kategorie? Wo finde ich eine Liste aller endokrinen Disruptoren und potenziell bedenklicher Stoffe? Und wie vermeide ich Produkte mit endokrinen Disruptoren am besten? Der folgende Guide gibt gleichermaßen kompakte und fundierte Antworten auf die brennendsten Fragen in puncto endokrine Disruptoren und Sicherheit in Kosmetik- und Pflegeprodukten.
Inhaltsverzeichnis:
- Was sind endokrine Disruptoren?
- Was ist der Unterschied zwischen endokrinen Disruptoren und endokrin aktiven Substanzen?
- Welche Wirkung haben endokrine Disruptoren auf den Körper?
- Welche gesundheitlichen Auswirkungen haben endokrine Disruptoren?
- Warum verwendet man überhaupt endokrine Disruptoren und bedenkliche Inhaltsstoffe bei der Herstellung von Kosmetik?
- Welche Inhaltsstoffe zählen zu den endokrinen Disruptoren?
- Gibt es eine vollständige Liste aller endokrinen Disruptoren?
- Wo sind endokrine Disruptoren enthalten?
- Wie kann ich Produkte mit endokrinen Disruptoren vermeiden?
- Fazit
Was sind endokrine Disruptoren?
Als endokrine Disruptoren (ED) werden Inhaltsstoffe bezeichnet, die bereits in geringen Dosen das hormonelle Gleichgewicht des Körpers beeinflussen und dadurch gesundheitliche Schäden hervorrufen können. Meistens handelt es sich dabei um synthetisch hergestellte Substanzen. Sie können in Pflege- und Kosmetikprodukten sowie in Nahrungs- und Arzneimitteln enthalten sein. Aber auch in Alltagsgegenständen wie in Kosmetikbehältnissen, Verpackungen und sogar in Kinderspielzeug findet man ED. Häufig betroffene Pflege- und Kosmetikartikel sind etwa UV-Sonnenschutzmittel, Cremes, Parfums oder Shampoos. Die bedenklichen Stoffe gelangen dabei zumeist über die Haut, manchmal aber auch über die Schleimhäute und Atemwege, in den Körper.
Es wurde mittlerweile nachgewiesen, dass ED zur Entstehung von Erkrankungen wie Diabetes mellitus oder hormonsensitiven Krebserkrankungen beitragen können. Nachgewiesen konnten auch bei Frauen sowie Männern die negativen Auswirkungen von ED auf die Fruchtbarkeit bis hin zur Unfruchtbarkeit. Eine besondere Gefährdung stellen diese Substanzen in der Schwangerschaft dar.
Was ist der Unterschied zwischen endokrinen Disruptoren und endokrin aktiven Substanzen?
Endokrin aktive Substanzen (EAS) sind alle Stoffe, die auf irgendeine Weise Einfluss auf den Hormonhaushalt nehmen. Die Auswirkungen müssen dabei aber nicht zwingend negativer Natur sein. Einige dieser EAS werden in der Medizin bewusst eingesetzt, wie zB. Schilddrüsenhormon-Ersatzpräparate oder Hormonersatztherapien in den Wechseljahren. Wirken sich endokrin aktive Substanzen allerdings negativ bzw. störend auf den Organismus aus, spricht man von endokrinen Disruptoren (ED).
Kurz: EAS haben zwar einen Einfluss auf den Hormonhaushalt, der aber nicht notwendigerweise schlecht bzw. ungewünscht ist. Erst wenn die Auswirkungen negativ sind, spricht man von ED.
Welche Wirkung haben endokrine Disruptoren auf den Körper?
Endokrine Disruptoren beeinträchtigen die Hormonaktivität bei Menschen, Tieren und Pflanzen. Das Hormonsystem bzw. endokrine System reguliert das Wachstum, die Reproduktion, die Entwicklung sowie das Verhalten von Lebewesen. Durch das Ausschütten von Hormonen über die endokrinen Drüsen, wie beispielsweise die Bauchspeicheldrüse, die Keimdrüsen oder die Schilddrüse, werden im Organismus bestimmte Reaktionen hervorgerufen.
Wenn ED über die Atemwege, die Haut oder den Magen in die Blutbahn gelangen, werden diese normalen biochemischen Abläufe gestört bzw. verändert. Da ED eine ähnliche Struktur wie natürliche Hormone aufweisen, können sie sich genauso wie diese an die Hormonrezeptoren in den Zellen des Körpers binden. Dort verstärken sie die natürliche Wirkung der Hormone oder schwächen diese ab. Außerdem können sie den regulären Abbau von Hormonen beeinträchtigen, sodass das hormonelle Gleichgewicht immer mehr und langfristig durcheinandergerät.
Welche gesundheitlichen Auswirkungen haben endokrine Disruptoren?
Wie genau die einzelnen endokrinen Substanzen wirken, ist in vielen Fällen nach nicht restlos geklärt. Die Forschung dahinter ist intensiv, doch das Thema ist so komplex und schwer zu erforschen, dass man nach wie vor verhältnismäßig wenig weiß. Aber es gibt bereits gesicherte Erkenntnisse, und diese geben Anlass dazu weiterzuforschen. Einige Erkenntnisse darüber erlangte die Forschung im Rahmen zahlreicher Tierversuche und Zellkulturversuche. Allerdings gibt es mitunter gravierende artenspezifische Unterschiede. Am Menschen werden diese Substanzen im Regelfall nicht getestet, da die unbekannten Risiken als zu hoch und zu gravierend eingeschätzt werden. Fest steht aber, dass die Folgen drastisch und oft sogar irreversibel sein können.
Wie schon zu Beginn, können ED verschiedene hormonsensitive Erkrankungen auslösen. Dazu zählen unter anderem schwere metabolische Erkrankungen, Krebserkrankungen, Myome in der Gebärmutter, Endometriose, Fettleibigkeit und eine eingeschränkte Fruchtbarkeit bei Männern und Frauen. In der Schwangerschaft können ED zur Entstehung von Missbildungen und zu Fehlgeburten beitragen. Bei pränataler Exposition kann es beispielsweise zu Fehlbildungen der Geschlechtsorgane und zu einem erhöhten Risiko für bestimmte Krankheiten kommen.
ED stehen auch im Verdacht, bei jungen Mädchen ein verfrühtes Brustwachstum und eine verfrühte Geschlechtsreife auszulösen. Das begünstigt wiederum das Entstehen einer Vielzahl von lebensgefährlichen Tumorerkrankungen. Die Liste der nachgewiesenen und potenziellen Folgeschäden von ED für die Gesundheit erscheint unendlich und erschreckend.
Warum verwendet man überhaupt endokrine Disruptoren und bedenkliche Inhaltsstoffe in Kosmetik?
Es ist keinesfalls so, dass die Hersteller ihren Kosmetika bei der Produktion absichtlich bedenkliche oder gesundheitsschädliche Inhaltsstoffe beimischen. Vielmehr haben sich bestimmte Ingredienzien über die Jahrzehnte im Bereich der Kosmetik- und Pflegeartikel schlichtweg bewährt und etabliert. Das hatte hauptsächlich mit praktischen Eigenschaften zu tun, die diese Stoffe auszeichnen. So sind sie oftmals leichter und kostengünstig zu verarbeiten, haben einen angenehmen Duft oder lassen sich gut auf die Haut auftragen. Von den gesundheitsschädlichen Auswirkungen ahnte man lange Zeit schlicht nichts.
Ein Umdenken setzte erst allmählich in den letzten Jahren ein. Das geht auch mit der Forschung Hand in Hand, die immer mehr Fakten zu ED belegen kann. Seither bemühen sich viele Hersteller ernsthaft darum, unbedenkliche Alternativen zu endokrin wirksamen Substanzen zu finden. Da ein Überwinden einer solchen etablierten Praxis aber kein leichtes Unterfangen ist, wird der Prozess sicherlich noch sehr lange dauern.
Welche Inhaltsstoffe zählen zu den endokrinen Disruptoren?
Wie erkenne ich endokrine Disruptoren in Kosmetik?
Insgesamt konnten bisher rund 800 Stoffe eindeutig als ED klassifiziert werden. Dazu gehören zb. polychlorierte organische Verbindungen, die im Zuge industrieller Herstellungsprozesse verwendet werden bzw. wurden. Auch Triazolverbindungen und Dithiocarbamate, die in Herbiziden und Pestiziden enthalten sind, sind mittlerweile anerkannte ED. Weitere bekannte ED sind die häufig eingesetzten Phthalate.
In der Forschung herrscht allgemeiner Konsens darüber, dass tatsächlich viel mehr Substanzen in die Kategorie der ED fallen, als man bisher annimmt. Es mangelt aber nach wie vor an konkreten und eindeutigen Forschungsergebnissen, die eine schädliche Wirkung belegen. Erschwerend hinzu kommt die Tatsache, dass viele Stoffe erst in Kombination mit anderen Substanzen gesundheitsschädlich oder anders wirken, als alleine. Das ist schwer eindeutig und detailliert nachweisbar. Als potenziell schädliche Stoffe gelten im Bereich der Kosmetik zum Beispiel chemische UV-Sonnenschutzfilter, Aluminiumsalze, Emulgatoren, Silikone, synthetische Duftstoffe, Erdölderivate oder Parabene.
Gibt es eine vollständige Liste aller endokrinen Disruptoren?
Basierend auf den Ergebnissen zahlreicher Studien veröffentlichte die WHO zusammen mit dem UNEP (United Nationals Environment Programme) im Jahr 2013 eine umfassende Publikation zur ED-Thematik. Dieser Bericht umfasst eine Übersicht über die wichtigsten endokrin wirksamen Substanzen und ihre konkreten Auswirkungen auf den Organismus. Darin werden jene 800 Stoffe aufgelistet, bei denen eine endokrindisruptive Wirkung bereits nachgewiesen wurde oder mit deutlichen Hinweisen vermutet wird. Dazu muss man allerdings bedenken, dass diese Auflistung nur die Stoffe enthält, die der Wissenschaft bis 2013 als ED bekannt waren. Trotz ihres enormen Umfangs bleibt sie also unvollständig.
Wo sind endokrine Disruptoren enthalten?
Endokrine Disruptoren können in den unterschiedlichsten Kosmetika und Pflegeartikeln enthalten sein. In Haar- und Hautpflegeprodukten finden sich beispielsweise oftmals Parabene wie Methylparabene oder Butylparaben. Sonnen- und Gesichtscremes beinhalten wiederum häufig Benzophenone, Ethylhexyl oder Methoxycinnamate. Der bedenkliche Wirkstoff Triclosan ist in zahlreichen Zahnpasten und Seifen zu finden. Viele, besser gesagt fast alle am Markt erhältlichen und nicht als Naturkosmetik geprüften Parfums und Cremes enthalten synthetische Duftstoffe. Die Liste der möglichen Anwendungsgebiete von endokrinen Disruptoren ist lang und fast nicht zu überblicken.
Die gute Nachricht ist, dass viele endokrin wirkende Inhaltsstoffe mittlerweile verboten wurden. Produkte mit hohen Anteilen von Diethylstilbestrol, polychlorierten Diphenylen und einigen Pestiziden dürfen in Europa längst nicht mehr verkauft werden. Tatsächlich kommt es immer wieder vor, dass eigentlich verbotene Substanzen trotzdem in Lebensmitteln und Kosmetik auftauchen. Eine 100%ige Sicherheit gibt es oft nicht. Außerdem werden Produkte mit geringeren Anteilen von ED unter bestimmten Voraussetzungen doch zugelassen. Das ist eine gängige, aber auch sehr strittige Praxis.
Wie kann ich Produkte mit endokrinen Disruptoren vermeiden?
Auch wenn man als Konsument in den meisten Fällen unmöglich feststellen kann, ob ein Produkt ED enthält oder nicht, gibt es einen sicheren Weg, derartige Artikel zu vermeiden. Das „Zauberwort“ in diesem Zusammenhang heißt zertifizierte Naturkosmetik oder zertifizierte Bio-Kosmetik. Bekannte Zertifikate sind unter anderem AIAB, Cosmebio, Cosmos, Demeter, Ecocert, Natrue, UK Soil Association oder USDA Organic.
Im Gegensatz zu herkömmlichen Produkten dürfen Kosmetika mit den Siegeln dieser Natur- und Bio-Kosmetik-Zertifikate keinerlei endokrine Disruptoren enthalten. Aber Achtung: Andere Claims wie „Tierversuchsfrei“, „Fairtrade“ oder Vegan-Zertifizierungen sagen nichts darüber aus, ob das jeweilige Produkt frei von ED ist.
Was man dazu allerdings wissen muss: Bei der Herstellung vieler Kosmetika kommt Alkohol zum Einsatz. Richtig dosiert wirkt dieser in vielerlei Hinsicht positiv auf die Haut. Grundsätzlich handelt es sich de facto um keinen bedenklichen Inhaltsstoff. Allerdings wird Alkohol in Kosmetik vergällt, also ungenießbar gemacht, um der Alkoholsteuer zu entgehen. Zu diesem Zweck werden meistens endokrin wirkende Phthalate wie Diethylphthalat eingesetzt. Somit ist bei alkoholhaltigen Produkten eine gewisse Vorsicht geboten. Welche Stoffe bei der Vergällung verwendet werden, geht üblicherweise nämlich nicht direkt aus den auf der Verpackung aufgelisteten Inhaltsstoffen hervor. Daher empfiehlt es sich, im Zweifelsfall beim Hersteller bzw. noch besser bei der Zertifizierungsstelle direkt nachzufragen.
Fazit
Ob im Parfum, Lippenstift, Haarfärbemittel oder im Peeling: Endokrine Disruptoren können in beinahe allen Kosmetik- und Pflegeprodukten enthalten sein. Und nicht nur das — selbst das zugehörige Verpackungsmaterial kann ED aufweisen und an die Umgebung und die Cremes und Produkte abgeben. Wir wissen mittlerweile, dass endokrin aktive Chemikalien dem Menschen und der Umwelt schwere Schäden zufügen können. Unzählige Krankheiten lassen sich auf diese Inhaltsstoffe zurückführen. Gerade (ungeborene) Kinder sind besonders gefährdet. Dieser Gesamtbefund ist besorgniserregend, und noch mehr, als über die Langzeitfolgen erst wenig bekannt ist.
Wie sich das ändern lässt? Indem wir uns als Konsumenten bewusst für garantiert ED-freie zertifizierte Bio- und Naturkosmetik entscheiden, können wir einen Beitrag dazu leisten. Lange galten bei der Herstellung von Kosmetik viele ED-haltige Produkte als „Standard“. Nichtsdestotrotz steht der Etablierung von Alternativen als „neuem Standard“ nichts im Wege. Erfreulicherweise gibt es immer mehr Möglichkeiten, ED bewusst zu vermeiden.
Quellen:
https://www.who.int/ceh/publications/endocrine/en/
https://www.dguv.de/medien/ifa/de/pub/grl/pdf/2017_122.pdf
https://www.umweltbundesamt.de/endokrine-disruptoren#1-bis-2
http://www.efsa.europa.eu/de/topics/topic/endocrine-active-substances
https://www.ages.at/service/sie-fragen-wir-antworten/endokrine-substanzen-kosmetik/
https://www.highdroxy.de/journal/hautpflege/mythos-alkohol-in-hautpflege/#:~:text=Der%20h%C3%A4ufigste%20einwertige%20Alkohol%2C%20der,keine%20Steuer%20darauf%20gezahlt%20werden.
https://www.bund.net/themen/chemie/toxfox/kosmetikprodukte/
https://de.wikipedia.org/wiki/Endokrine_Disruptoren